Kann der Arbeitgeber mir einfach kündigen? Die Antwort ist vielschichtig und gut vergleichbar mit dem Bergsteiger, der durch sein Seil gesichert ist: „In den meisten Fällen: Nein!“.
Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz gibt es aber häufig auch besondere Fälle: Den sog. Sonderkündigungsschutz. Hierrunter fallen Menschen, die einer besonderen Gruppe angehören und aufgrund ihrer besonderen Stellung nicht oder nur eingeschränkt ordentlich gekündigt werden können. Will der Arbeitgeber hier also das Arbeitsverhältnis beenden, so kann er dies nur einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag. In Einzelfällen kommt auch eine fristlose und außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn ein schwerwiegender Verstoß vorliegt. Dies kann aber je nach Art des Sonderkündigungsschutzes ebenfalls gesetzlich ausgeschlossen sein, oder der Zustimmung gesonderter Behörden erfordern. (Dazu im Einzelnen bei den jeweiligen Punkten)
Für wen gibt es Sonderkündigungsschutz?
- Betrieblich vereinbart
- Tariflich vereinbart
- Mutterschutz
- Elternzeit
- Pflegevertreter
- Schwerbehinderte und Gleichgestellte
- Betriebsrat (auch Wahlbewerber oder Wahlvorstand)
- Jugend- und Auszubildendenvertretung
- Datenschutzbeauftragter
- Schwerbehindertenvertretung
- Gleichstellungsbeauftragte
- Abfallbeauftragter
- Störabfallbeauftragter
- Immissionsschutzbeauftragte
- Gewässerschutzbeauftragte
Betrieblich vereinbart
Ein Sonderkündigungsschutz kann sich schon aus einer betrieblichen Vereinbarung ergeben. Denn in Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber im Falle von Umstrukturierung- oder Sanierungsmaßnahmen kann es häufig zu Vereinbarungen kommen, die z.B. betriebsbedingte Kündigungen für einen fixen Zeitraum ausschließen.
Tarifvertraglich vereinbart
Oft finden sich in tarifverträgen Regelungen für einen Sonderkündigungsschutz. So findet sich z.B. oft der Ausschluss von betriebsbedingten oder sogar ordentlichen Kündigungen generell, wenn ein bestimmtes Lebensalter oder eine bestimmte Anzahl an Jahren im Betrieb überschritten wird. Eine allgemeingültige Regelung gibt es aber nicht. Oft werden auch z.B. verhaltensbedingte Kündigungen nicht erfasst oder es besteht generell die Möglichkeit von Änderungskündigungen. Eine genaue Überprüfung des jeweils gültigen Tarifvertrages ist daher sehr wichtig.
Mutterschutz
Ein wichtiger Sonderkündigungsschutz besteht für schwangere Frauen gem. §17 MuSchG. Hiernach darf der Arbeitgeber keine Kündigung aussprechen, wenn ihm die Schwangerschaft bekannt ist oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird (Gem. §17 Abs. 1 S. 2 MuSchG ist das Verstreichen dieser Frist unschädlich, wenn der Grund für die Nichtmeldung außerhalb der Verantwortung der Schwangeren liegt). Dieser Schutz gilt für alle schwangeren Frauen bis 4 Monate nach der Entbindung oder bei einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche.
In Ausnahmefällen kann eine Kündigung erklärt werden, in Bayern mit Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes. Die Anforderung hieran ist aber extrem hoch. Gerade bei Schwangeren darf der Grund z.B. nicht mit der Schwangerschaft in Verbindung stehen.
Elternzeit
Ergänzt wird der Schutz der schwangeren Frauen durch den generellen Sonderkündigungsschutz für Arbeitnehmer (geschlechtsunabhängig) in der Elternzeit gem. §18 BEEG. Der Arbeitgeber darf während der geschützten Zeit dem Arbeitnehmer weder ordentlich noch außerordentlich kündigen. Der geschützte Zeitraum beginnt
- mit schriftlichem Antrag der Elternzeit (gesetzlich aber frühestens 8 Wochen vor eigentlichem Beginn der Elternzeit) und endet mit Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes.
- Bei Elternzeit für Kinder ab dem dritten Geburtstag beginnt der Schutz mit dem schriftlichen Antrag der Elternzeit (gesetzlich aber frühestens 14 Wochen vor eigentlichem Beginn der Elternzeit) und endet spätestens mit Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes.
Dieser Kündigungsschutz greift auch, wenn sich der Arbeitnehmer entscheidet, in der Elternzeit in Teilzeit für den Arbeitgeber zu arbeiten. Wie im Mutterschutz kann auch hier in Ausnahmefällen bei Vorliegen eines besonderen Grundes mit Zustimmung des (in Bayern) Gewerbeaufsichtsamteseine Kündigung ausgesprochen werden.
Pflegevertreter
Will ein Arbeitnehmer eine Freistellung für die Pflege von Angehörigen gem. §5 Abs 1 PflegeZG, so hat er mit der Ankündigung (frühestens jedoch 12 Wochen vor Beginn der Freistellung) bis zur Beendigung der Freistellung oder der Arbeitsverhinderung einen Kündigungsschutz sowohl gegen ordentliche als auch außerordentliche Kündigungen.
Ebenfalls für den Pflegevertreter gilt wie auch bei Mutterschutz und Elternzeit, dass in besonderen Fällen die Kündigung mit Zustimmung des (in Bayern) Gewerbeaufsichtsamtes erteilt werden kann.
Schwerbehinderte und Gelichgestellte
Arbeitnehmer gelten als Schwerbehindert, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 ist. In diesem Fall bedarf sowohl die ordentliche, als auch die außerordentliche Kündigung gem. §§168 ff SGB IX der Zustimmung des Inklusionsamtes, wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft bekannt ist. Hat ein Arbeitnehmer einen Grad der Behinderung zwischen 30 und 50, so kann er sich von der Agentur für Arbeit einem Schwerbehinderten Menschen gleichstellen lassen und erhält denselben Sonderkündigungsschutz. Kündigungsschutz genießen in diesem Zusammenhang gem.
§ 179 Abs. 3 SGB IX i.V.m. § 15 KSchG auch die Schwerbehindertenvertretung.
Betriebsrat und Jugend- und Auszubildendenvertretung
Einer der wichtigsten Gruppen für Sonderkündigungsschutz ergibt sich aus Arbeitnehmervertretungen wie dem Betriebsrat oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Diese schließen gem. §15 Abs. 3 KSchG die ordentliche Kündigung aus. Wichtig ist, dass dieser Kündigungsschutz gem. §15 Abs. 3 bzw. §15 Abs. 3a KSchG auch für Wahlvorstände und Wahlbewerber, sowie für Initiatoren der Betriebsratswahl greift, und es auch einen so genannten nachwirkenden Kündigungsschutz gibt.
Unternehmerisch Beauftragte
Vom Arbeitgeber bestimmte Arbeitnehmer, die mit der Überwachung bestimmter Themen beauftragt worden sind, können im Einzelfall besonderen Kündigungsschutz genießen.
So kann der Gleichstellungsbeauftragte im Betrieb gem. §§ 18 Abs. 5 S. 3 BGleiG i.V.m. 15 Abs. 2 KSchG nicht ordentlich gekündigt werden.
Ein wichtiges Beispiel ist auch der Datenschutzbeauftragte, der mit Einführung der DSGVO von erheblicher Bedeutung geworden ist. Viele Arbeitgeber wissen nicht, dass dem Datenschutzbeauftragten gem. §6 Abs. 4 S. 2 BDSG nicht ordentlich gekündigt werden kann.
Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung ergibt sich auch z.B. aus §58 BImschG für den Immissionsschutzbeauftragten, für den Abfallbeauftragten aus § 60 Abs. 3 Satz 1 KrWG i.V.m. § 58 Abs. 1 BImSchG oder für den Gewässerschutzbeauftragten gem. §64 WHG i.V.m. §58 Abs. 1 BImSchG. All diese Beauftragten können theoretisch in einer (natürlichen) Person vereint werden, falls sie nötig werden.
Grundsätzlich können auch Externe beauftragt werden, jedoch unter strengen Anforderungen und auch nur natürliche Personen, sodass die betriebsinterne Beauftragung trotz des Kündigungsschutzes für den Arbeitgeber oft interessant ist.
Fazit
Das Thema Kündigungsschutz an sich ist schon sehr vielschichtig. Sehr häufig gibt es aber auch einen Sonderkündigungsschutz, den man auf dem ersten Blick gar nicht bemerkt hat. Dies kann schon dazu führen, dass ein Arbeitsverhältnis gar nicht aufgelöst werden kann oder eine bereits ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, wenn man sie durch Klage innerhalb von drei Wochen angreift. Es könnte auch zur Folge haben, dass (wenn eine Weiterbeschäftigung nicht interessant ist) eine Abfindungssumme erheblich in die Höhe steigt. Eine Prüfung der Thematik erfordert einen guten und fundierten Überblick über die Gesamtheit der Rechtsthematik, da sich der Sonderkündigungsschutz über viele verschiedene Gesetze verteilt. Wir empfehlen daher frühzeitig mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht zu sprechen.