Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn

Während des Verfahrens aufgrund einer Kündigungsschutzklage nimmt der Arbeitgeber in der Regel bis zum Zeitpunkt der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung die durch den Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht mehr an. Durch den Ausspruch einer Kündigung erklärt der Arbeitgeber unmissverständlich, dass er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht mehr annehmen will. Wenn der Arbeitnehmer den Kündigungsschutzprozess am Ende gewinnt und die Kündigung durch das Arbeitsgericht für unwirksam erklärt wird, muss der Arbeitgeber grundsätzlich für den Zeitraum ab der Kündigung dem Arbeitnehmer den entgangenen Lohn (sogenannten Annahmeverzugslohn) nachzahlen: Gemäß § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat der Arbeitnehmer trotz Nichtleistung der Arbeit einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung.

 

Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes auf den Annahmeverzugslohn

Der Arbeitnehmer muss sich jedoch auf seinen Lohnanspruch aufgrund Annahmeverzug des Arbeitgebers anrechnen lassen, was er in dem Zeitraum des Kündigungsschutzprozesses durch eine anderweitige Tätigkeit verdient hat. Das zwischenzeitliche Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht aufgrund des Annahmeverzugs des Arbeitgebers muss dabei Ursache für den anderweitigen Verdienst sein. Das BAG hat entschieden, dass auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs neben dem Lohn aus einem anderen Arbeitsverhältnis auch solche Einkünfte anzurechnen sind, die aus selbstständiger Tätigkeit oder einem freien Mitarbeiterverhältnis entstehen. Maßgeblich ist dabei nicht der Zeitpunkt der Auszahlung, sondern der Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer einen solchen anderweitigen Zahlungsanspruch durch seine Tätigkeit erwirbt.

 

Anrechnung von böswillig unterlassenem Verdienst auf den Annahmeverzugslohn

Von dem Anspruch auf Annahmeverzugslohn wird auch das abgezogen, was der Arbeitnehmer hätte verdienen können, wenn er sich intensiv um eine anderweitige Erwerbsquelle bemüht hätte. Der Arbeitgeber kann also gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn gemäß § 11 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) einwenden, dass der Arbeitnehmer es böswillig unterlassen hat, sich um anderweitige Einkünfte zu bemühen. Böswillig handelt der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs dann, wenn er vorsätzlich untätig geblieben ist oder eine ihm zumutbareAufnahme der Arbeit bewusst verhindert.

 

Urteil des BAG setzt neuen Maßstab für böswilliges Unterlassen

Mit Urteil vom 24.01.2024 (5 AZR 331/22) stuft das BAG es auch dann als böswilliges Unterlassen ein, wenn der Arbeitnehmer sich vorsätzlich mit einer geringeren Vergütung als üblich bei seiner neuen Beschäftigung zufrieden gibt. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Laufe des Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis trotz zu geringer Vergütung annimmt oder sogar unentgeltlich Arbeitsleistung erbringt, die sonst nur gegen eine Vergütung erbracht wird. Was eine angemessene Vergütung darstellt, ist an der üblichen Vergütung für die ausgeübte Tätigkeit zu bemessen. Mit dem oben genannten Urteil wertet das BAG zum Beispiel die Aufnahme einer unentgeltlichen Geschäftsführertätigkeit in einem Unternehmen als böswilliges Unterlassen. Für die Böswilligkeit reicht es auch schon aus, wenn der Arbeitnehmer Kenntnis von einer Gelegenheit zur bezahlten Erwerbstätigkeit hat und diese Möglichkeit nicht wahrnimmt.

 

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