Wann liegt eine Betriebsänderung vor?
Die Betriebsänderung wird in § 111 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wie folgt definiert:
In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten.
Für die Beantwortung der Frage, ob durch eine Betriebsänderung zumindest erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sind, gelten die folgenden Schwellenwerte:
- 1 bis 60 Beschäftigte: Mehr als fünf Mitarbeiter
- 60 bis 499 Beschäftigte: 10 Prozent oder mehr als 25 Mitarbeiter
- Ab 500 Beschäftigten: Mindestens 30 Mitarbeiter
Ferner regelt § 111 Satz 3 BetrVG, wann in jedem Fall eine Betriebsänderung vorliegt. Als solche gilt:
- die Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
- die Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
- der Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
- grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
- die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen (§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG)
Betriebsstilllegung bedeutet, dass der Betrieb aufgrund eines Entschlusses des Arbeitgebers dauerhaft oder zumindest für eine unbestimmte, nicht unerhebliche Zeit vollständig eingestellt wird.
Der bloße Übergang eines Betriebs auf einen neuen Inhaber – z.B. nach einem Verkauf – ist keine Betriebsstilllegung. Denn in einem solchen Fall wird der Betrieb nicht eingestellt, sondern er wird von einem anderen Betriebsinhaber fortgeführt. Es liegt lediglich ein Betriebsübergang vor. Der bloße Übergang eines Betriebes auf einen anderen Inhaber ist deshalb noch keine Betriebsänderung.
Eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG liegt auch dann vor, wenn ein wesentlicher Betriebsteil stillgelegt wird. Unter einem Betriebsteil ist eine betriebswirtschaftlich oder technisch abgrenzbare Organisationseinheit innerhalb eines Betriebs zu verstehen.
Beispiele:
- die IT-Abteilung einer Bank
- der Vertrieb eines Lebensmittelproduzenten
- das Lager eines Händlers
- die Marketingabteilung eines Automobilherstellers
Ob ein Betriebsteil als „wesentlich“ anzusehen ist, richtet sich in erster Linie nach der Anzahl der in dem Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl der im Betrieb insgesamt beschäftigten Arbeitnehmer. Hier gelten dieselben Schwellenwerte, wie bei der Frage, ob ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen ist (s.o.).
Eine Betriebsänderung liegt auch dann vor, wenn der Betrieb zwar nicht stillgelegt, aber eingeschränkt wird. Ein Betrieb bzw. Betriebsteil wird eingeschränkt, wenn dessen Leistungsfähigkeit herabgesetzt wird. Die Herabsetzung der Leistungsfähigkeit kann durch eine Verringerung der Betriebsmittel und/oder durch die Reduzierung der Anzahl der Arbeitnehmer erfolgen.
Eine Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG und damit eine Betriebsänderung kann auch bei einem reinen Personalabbau gegeben sein. Der bloße Abbau von Arbeitsplätzen gilt aber nur dann als Betriebsänderung, wenn eine größere Anzahl an Arbeitnehmern ihren Arbeitsplatz verliert. Hier gelten wiederum die oben genannten Schwellenwerte.
Allerdings macht das BAG eine bedeutsame Einschränkung. § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet demnach bei Betriebseinschränkungen nur mit der Maßgabe Anwendung, dass jeweils mindestens 5% der Belegschaft des Betriebs betroffen sein müssen (BAG 28.3.2006, NZA 2006, 932).
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen (§ 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG)
Unter der Verlegung des Betriebs bzw. von wesentlichen Betriebsteilen ist die Veränderung der örtlichen Lage des Betriebs bzw. Betriebsteils zu verstehen. Eine Betriebsänderung liegt aber nicht vor, wenn die örtliche Lage nur ganz geringfügig geändert wird. Die Verlegung um einige Kilometer oder z.B. vom Stadtzentrum an den Stadtrand ist aber ausreichend.
Der zu verlegende Betriebsteil ist wesentlich, wenn wiederum die oben genannten Schwellenwerte erreicht werden.
Zusammenschluss und Spaltung von Betrieben (§ 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG)
Bei dem Zusammenschluss von Betrieben wird aus zwei oder mehr ursprünglich selbständigen Betrieben mit jeweils eigenem Leitungsapparat ein einheitlicher Betrieb, der von ein und demselben Leitungsapparat geleitet wird.
Der Zusammenschluss von Betrieben kann entweder so erfolgen, dass aus den ursprünglich eigenständigen Betrieben ein neuer Betrieb hervorgeht. Denkbar ist aber auch, dass kein gänzlich neuer Betrieb entsteht, sondern dass ein Betrieb bestehen bleibt und einen oder mehrere andere Betriebe in sich aufnimmt. Wesentlich für den Zusammenschluss von Betrieben ist, dass die zuvor selbständigen Betriebe nach dem Zusammenschluss unter einer einheitlichen Leitung stehen.
Die Spaltung eines Betriebs liegt vor, wenn aus einem ursprünglich einheitlichen Betrieb mit einem Leitungsapparat zwei oder mehr getrennte organisatorische Einheiten werden. Das kann dadurch geschehen, dass ein Betrieb in zwei oder mehr eigenständige Betriebe aufgespalten wird, aber auch dadurch, dass ein Betriebsteil aus einem Betrieb ausgegliedert und in einen bereits bestehenden Betrieb eingegliedert wird.
Grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen (§ 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG)
Zu einer Änderung der Betriebsorganisation kommt es, wenn der Betriebsaufbau geändert wird, insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten (z.B. Neugliederung von Betriebsabteilungen, Änderung der Organisation des Leitungsapparates).
Eine Änderung des Betriebszwecks liegt vor, wenn der bisherige Betriebszweck durch einen anderen ausgetauscht wird, wenn ein weiterer Betriebszweck hinzukommt oder wenn einer von mehreren Betriebszwecken nicht mehr weiter verfolgt wird.
Bei dem Betriebszweck geht es letztlich um die Frage, womit der Betrieb sein Geld verdienen soll. Der Betriebszweck wird geändert, wenn der Arbeitgeber das Produkt- oder Dienstleistungsangebot ändert, wenn er also andere Produkte herstellen will als bisher oder wenn er andere Dienstleistungen anbieten will als bisher.
Zu den Betriebsanlagen gehören alle Gebäude und Gegenstände des Betriebs, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess genutzt oder eingesetzt werden. Dazu zählen z.B. Werkhallen, Maschinen, Roboter, aber auch EDV-Systeme und Software-Anwendungen.
Damit die Änderung eines betrieblichen Gegenstandes eine Betriebsänderung sein kann, muss es sich um einen Gegenstand handeln, der von erheblicher Bedeutung für das betriebliche Gesamtgeschehen ist.
Falls sich die Frage, ob ein bestimmter betrieblicher Gegenstand von erheblicher Bedeutung für das betriebliche Gesamtgeschehen ist, nicht zweifelsfrei beantworten lässt, kann auf die Zahl der von der Änderung betroffenen Arbeitnehmer abgestellt werden. Wenn hier die Schwellenwerte überschritten sind, die auch für die Beantwortung der Frage gelten, ob ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen ist, dann spricht das dafür, dass der Gegenstand von erheblicher Bedeutung für das betriebliche Gesamtgeschehen ist.
Damit eine Änderung der Betriebsorganisation, der Betriebszweck oder der Betriebsanlagen als Betriebsänderung gilt, muss die Änderung grundlegend sein. Das bedeutet, dass die Änderung gravierende Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter haben muss.
Beratung durch Fachanwälte für Arbeitsrecht
Als Fachanwälte für Arbeitsrecht beraten und vertreten wir seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsräte bei Betriebsänderungen. Insbesondere unterstützen wir bei der Planung und Durchführung von Outplacement-Maßnahmen und bei der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit. Zudem bieten wir Seminare zur Thematik Betriebsänderung, Interessenausgleich und Sozialplan an.
Wir haben insofern sehr viel Erfahrung in der Beratung von Betriebsräten und Arbeitgebern. Wenn Sie Fragen zum Thema Betriebsänderung haben, kontaktieren Sie uns.
Lesen Sie Teil 2 unserer Serie, welche Rechte ein Betriebsrats bei einer Betriebsänderung hat.