Die Drei-Monats-Regelung des Bundesurlaubsgesetzes
Dass Restansprüche auf Urlaub spätestens drei Monate nach Ablauf eines Kalenderjahres zu nehmen sind, war bisher gängige Praxis. Mit der Entscheidung des BAG (Urteil vom 19. Februar 2019, 9 AZR 541/15) ist der einschlägige § 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) jetzt aber neu auszulegen. Die Vorschrift erlaubt eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur unter engen Voraussetzungen (dringende betriebliche oder persönliche Gründe) und stellt in Satz 3 zusätzlich klar:
„Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.“
Bisher interpretierte die Rechtsprechung § 7 Abs. 3 BUrlG wörtlich – mit der Folge, dass der Anspruch auf Urlaub aus dem Vorjahr spätestens am 31. März des Folgejahres automatisch verfiel. Genau gegen diese Auslegung wendete sich ein Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts (mit dem Nachnamen Shimizu, von daher der Name Shimizu-Urteil) und beantragte eine Urlaubsabgeltung für 51 nicht in Anspruch genommene Urlaubstage in Höhe von fast 12.000 Euro.
Das Urteil des EuGH
Der Fall ging bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), der im November 2018 feststellte, dass der im Europarecht geltende Mindesturlaubsanspruch (vier Wochen) nicht allein aus dem Grund verfallen dürfe, dass der Arbeitnehmer diesen Urlaub nicht beantragt hat (Urteil vom 6. November 2018, C-684/16). Die Luxemburger Richter begründeten ihr Urteil vor allem mit Artikel 7 Abs. 1 der europäischen Arbeitszeit-Richtlinie (Richtlinie 2003/88/EG). Denn hier wird ausdrücklich gefordert, dass jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindesturlaub von vier Wochen „erhält“. Um dies zu sichern, sollen alle Mitgliedstaaten erforderliche Maßnahmen treffen.
Neuauslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG
Diese Rechtsprechung des EuGH nahm das BAG zum Anlass, den § 7 Abs. 3 BUrlG neu auszulegen. Der Verfall eines Urlaubsanspruchs aus dem Vorjahr trete jetzt nur noch dann ein,
- wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen
- und er ebenfalls darauf hingewiesen hat, dass der Anspruch auf Urlaub ansonsten entfällt.
Trotzdem bleibe der Grundsatz bestehen, dass es grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers stehe, ob er einen Urlaubsanspruch geltend macht oder nicht. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, von sich aus den Urlaub anzuordnen, damit der Arbeitnehmer seine Ansprüche wahrnimmt. Gleichwohl treffe den Arbeitgeber eine „Initiativlast“ in Bezug auf die Verwirklichung der Urlaubsansprüche seiner Arbeitnehmer. Erfülle der Arbeitgeber diese Pflicht nicht, entfalle auch nicht der Anspruch auf Urlaub.
Neue Aufgaben für die Arbeitgeber
Für die Arbeitgeber bedeutet diese neue Rechtsprechung, dass sie in Zukunft nachweisen müssen, die entsprechenden Hinweise in Bezug auf einen möglichen Verfall von Urlaubsansprüchen zu geben – und zu dokumentieren. Ob Mitteilungen am „Schwarzen Brett“ hierfür ausreichen, haben die Erfurter Richter offengelassen. Im konkreten Fall wurde die Klage von Herrn Shimizu gegen das Max-Planck-Institut an das Landesarbeitsgericht (LAG) in München zur erneuten Entscheidung zurückgewiesen.