Spannungsfeld nach Kündigung: Freistellung vs. Weiterbeschäftigungsanspruch

Der Arbeitnehmer wird durch den Arbeitsvertrag gem. § 611a Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, weisungsgebunden und fremdbestimmt für seinen Arbeitgeber in persönlicher Abhängigkeit zu arbeiten. Der Arbeitsvertrag begründet aber nicht nur die Pflicht des Arbeitnehmers zu arbeiten, sondern in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch einen Anspruch auf (Weiter-)Beschäftigung. Regelmäßig steht das Weiterbeschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers nach einer Kündigung im Spannungsverhältnis zum Freistellungsinteresse des Arbeitgebers. Denn dieser hat oftmals nach Ausspruch einer Kündigung kein Interesse mehr an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.

Einvernehmliche Freistellung nach einer Kündigung

Die einvernehmliche Freistellung kraft individueller Einzelvereinbarung (etwa in einem Aufhebungsvertrag, Vergleich) ist grundsätzlich zulässig und unproblematisch möglich, da der Anspruch auf Beschäftigung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein dispositiverAnspruch ist. In der Regel einigen sich die Parteien auf die Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung des Lohns. Ferner stimmt der Arbeitnehmer einer Entbindung von der vertraglichen Beschäftigungspflicht zu. Gegenstand der Vereinbarung kann eine widerrufliche oder unwiderrufliche Freistellung sein: Während bei der widerruflichen Freistellung die Arbeitspflicht lediglich „ruht“, führt eine unwiderrufliche Freistellung zum endgültigen Erlöschen der Arbeitspflicht. Der Vorteil einer unwiderruflichen Freistellung für den Arbeitgeber besteht darin, dass bestehende und zukünftige Urlaubsansprüche sowie etwaige noch offene Zeitguthaben oder Überstunden angerechnet werden können, sofern die Anrechnung ausdrücklich in der Freistellungsvereinbarung erklärt wird. Bei einer widerruflichen Freistellung muss der Arbeitgeber zum Abbau der Urlaubsansprüche einen konkreten Zeitraum anordnen. Ansonsten muss der Urlaubsanspruch gem. § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz abgegolten werden. Die Anordnung des Urlaubs kann zeitgleich mit der Freistellungserklärung erfolgen.

Einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber nach einer Kündigung                                

Bei einer einseitigen Freistellung erklärt der Arbeitgeber einseitig, auf die Arbeitsleistung zu verzichten. Einer solchen Freistellung steht der (Weiter-) Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers entgegen. Dieser Konflikt ist durch Abwägung der widerstreitenden Interessen aufzulösen. Der Weiterbeschäftigungsanspruch wird verdrängt, wenn schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers überwiegen. Ein deutliches Überwiegen des Arbeitgeberinteresses wurde beispielsweise bei dringendem Verdacht einer gegen den Arbeitgeber gerichteten Straftat angenommen. Auf der anderen Seite ist die einseitige Freistellung unzulässig, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist oder der Arbeitnehmer bereits in der ersten Instanz erfolgreich mit seiner Kündigungsschutzklage war.

Der Arbeitnehmer kann sich im Wege der einstweiligen Verfügung gegen eine unzulässige Freistellung zu Wehr setzen. Im Rahmen der Überprüfung erfolgt dann eine Interessenabwägung durch das Gericht.

Der Anspruch auf Vergütung bleibt grundsätzlich gem. § 615 BGB erhalten, da hinsichtlich der Arbeitsleistung in der Regel Annahmeverzug vorliegt.

Möglichkeit der Freistellung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Eine Klausel, die eine einseitige Freistellung ermöglicht, kann grundsätzlich im Voraus bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags vereinbart werden. Problematisch ist dies in Fällen, in denen der Arbeitgeber einseitig vorformulierte Arbeitsverträge verwendet. Solche Klauseln sind nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich unwirksam gem. § 307 Abs. 1 BGB. Sie stellen eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar, da die Rechte des Arbeitnehmers so wesentlichen eingeschränkt werden, dass der Vertragszweck gefährdet wäre , § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Etwas anderes gilt, wenn die Klausel selbst gewichtige Arbeitgeberinteressen zur Rechtfertigung voraussetzt.

Freistellung nach einer Kündigung zum Zweck der Stellensuche

                               

Bewerbung
                                                   

Gem. § 629 BGB besteht zugunsten des Arbeitnehmers nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Gewährung einer „angemessenen Zeit“ zur Suche eines anderen Dienstverhältnisses. Die Norm soll gewährleisten, dass der Beschäftigte unmittelbar nach Beendigung seines alten Arbeitsverhältnisses eine neue Stelle antreten kann, um seinen Unterhalt zu verdienen.  In diesem Fall hängt der Vergütungsanspruch von den Voraussetzungen des § 616 BGB ab. Der Vergütungsanspruch bleibt erhalten, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Sofern zugunsten des Beschäftigten kein Anspruch auf Vergütung gem. § 616 BGB gegen seinen Arbeitgeber besteht, kann der Verdienstausfall unter Umständen als Aufwendungsersatz für Vorstellungskosten bei anderen Arbeitgebern geltend gemacht werden.

Anspruch auf Freistellung

In der Praxis ist der Arbeitnehmer meist an einer Freistellung interessiert, wenn  schon eine Kündigung ausgesprochen wurde. Ein Anspruch auf Freistellung besteht grundsätzlich nicht, es sei denn die Freistellung wäre in einem Sozialplan oder einer sonstigen Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag geregelt.

Meist kann aber eine Freistellung gut verhandelt werden, zumal der Arbeitgeber das Gehalt bis zum Ende der Kündigungsfrist sowieso bezahlen muss und meist kein großes Interesse daran hat, dass ein Mitarbeiter noch zur Arbeit kommt, der aufgrund des bevorstehenden Endes seines Arbeitsverhältnisses vielleicht gar nicht mehr besonders motiviert ist.

Als Rechtsanwälte für Arbeitsrecht stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und beraten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer rund um den Themenkreis „Freistellung nach einer Kündigung“.