Grundvoraussetzungen für außerordentliche Kündigungen
Neben außerordentlichen, fristlosen Kündigungen existieren außerordentliche Kündigungen mit notwendiger Auslauffrist oder auch sozialer Auslauffrist. In diesem Fällen – vor allem, wenn eine ordentliche Kündigung nach Tarif- oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen ist – endet das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf dieser Frist. Dennoch müssen auch hier die strengen Voraussetzungen für eine außerordentliche Entlassung vorliegen.
Insbesondere muss jede Kündigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich erfolgen, also handschriftlich unterzeichnet sein und das Original der jeweils anderen Partei entsprechend zugehen. Arbeitgeber sollten sich zum Nachweis die Übergabe protokollieren lassen oder Zeugen hinzuziehen. Der Kündigungsgrund muss hingegen nicht und sollte aus Arbeitgeberperspektive auch nicht angegeben werden.
Besteht ein Betriebsrat, muss dieser vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß zur außerordentlichen Kündigung angehört werden. Eine bloße Anhörung zu einer parallel ausgesprochenen ordentlichen Kündigung genügt nicht.
Greift ein besonderer Kündigungsschutz, müssen zusätzlich dessen Voraussetzungen beachtet werden. Hierunter fallen insbesondere die außerordentliche Kündigung von Schwangeren und Arbeitnehmern mit Schwerbehinderung, bei denen zusätzlich die Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde bzw. des zuständigen Integrationsamts eingeholt werden muss. Details hierzu finden Sie in den entsprechend verlinkten Beiträgen.
Zuletzt muss die außerordentliche Kündigung rechtzeitig ausgesprochen werden. Gemäß § 626 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis von den Umständen erfolgen, auf welche die Entlassung gestützt wird. Besonders wichtig: Eine notwendige Betriebsratsanhörung hemmt diese kurze Frist nicht, sondern muss vom Arbeitgeber frühzeitig eingeplant werden. In Ausnahmefällen kann die Frist faktisch länger ausfallen, etwa bei einer fristlosen Kündigung wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit (Fristbeginn mit erstmaligem Wiedererscheinen) oder bei Verdachtskündigungen (Fristbeginn aufgeschoben, solange der Arbeitgeber pflichtgemäß und zügig nachforscht).
Wichtiger Grund als Kern-Anforderung der außerordentlichen Kündigung
Wegen ihrer weitreichenden Folgen bedarf jede außerordentliche Kündigung (auch diejenigen mit sozialer oder notwendiger Auslauffrist) gemäß § 626 Abs. 1 BGB eines wichtigen Grundes. Dessen Prüfung erfolgt zweistufig. Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der Sachverhalt „an sich“ und damit typischerweise ohne seine besonderen Umstände als wichtiger Grund geeignet ist. Ist dies zu bejahen, ist auf der zweiten Stufe zu prüfen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in den konkreten Umständen und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist.
Dabei kommen personenbedingte, betriebsbedingte und verhaltensbedingte Gründe in Betracht. Details zu den einzelnen Kündigungsgründen finden Sie in den verlinkten Beiträgen. Die dort genannten Grundsätze und Fälle gelten auch für die außerordentliche Kündigung. Im Nachfolgenden fokussieren wir uns auf verhaltensbedingte Gründe, da diese mit Abstand die häufigsten Fälle in der Praxis darstellen.
Als „an sich“ für eine außerordentliche Kündigung ausreichend wurden in der Rechtsprechung vor allem Fälle des Diebstahls und der Unterschlagung am Arbeitsplatz angesehen. Auch Tätlichkeiten und schwere Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber genügen abstrakt, um das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu zerstören. Weitere anerkannte Fälle sind sexuelle Belästigung anderer Mitarbeiter, Arbeitszeitbetrug, beharrliche und ungerechtfertigte Arbeitsverweigerung und die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit.
Ist die erste Stufe zu bejahen, muss im Anschluss eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall erfolgen. Einzustellen sind vor allem die Schwere und die Folgen der Vertragspflichtverletzung, eine etwaige Wiederholungsgefahr, der Verschuldensgrad des Arbeitnehmers und die Dauer des störungsfreien Arbeitsverhältnisses. Auf Arbeitnehmerseite sind ferner dessen Lebensalter, der Familienstand und eventuelle Unterhaltspflichten zu beachten. Zusätzlich gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Verhältnismäßigkeit der außerordentlichen Kündigung: Vorrang von Abmahnung und Co.
Da die außerordentliche Kündigung den Empfänger am Stärksten beeinträchtigt, muss sie das letzte Mittel sein. Es darf also kein milderes Mittel geben, um den Vertrauensverlust zu beseitigen. Aus diesem Grund ist vor einer außerordentlichen Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung notwendig. Die Abmahnung muss das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers konkret bezeichnen und darf ihrerseits nicht rechtswidrig sein. Sie ist nur ausnahmsweise entbehrlich, etwa bei besonders erheblichen Vertrauensbrüchen (z. B. Diebstahl und Unterschlagung) oder wenn der Arbeitnehmer eindeutig zu erkennen gibt, das vertragsverletzende Verhalten keinesfalls einzustellen.
Als weiteres milderes Mittel ist eine ordentliche Kündigung aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen denkbar. Diese beendet das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der ordnungsgemäßen Kündigungsfrist und ist damit nicht derart einschneidend wie eine fristlose Entlassung. Aus Arbeitgebersicht ist wegen der hohen Anforderungen der außerordentlichen Kündigung in jedem Fall zu raten, hilfsweise eine ordentliche Kündigung auszusprechen.
Besonders bei außerordentlichen Kündigungen aus betriebs- und personenbedingten Gründen kommen zudem die Versetzung auf einen anderen freien Arbeitsplatz sowie eine Änderungskündigung als mildere Mittel in Betracht. Das betrifft insbesondere diejenigen Fälle, in denen der Pflichtverstoß eng mit dem konkreten Arbeitsplatz verbunden ist und das Vertrauen in den Arbeitnehmer nicht per se zerstört ist (z. B. bei streng abteilungsbezogenen Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Vorgesetztem).
Beispiel nach einem Fall des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 27.06.2019 – 2 AZR 28/19): Der 52-jährige Arbeitnehmer war seit über 17 Jahren beim Landeskriminalamt (LKA) im Innendienst beschäftigt. Auf seinem privaten Facebook-Account verbreitete er öffentlich volksverhetzende Äußerungen und Beleidigungen. So bezeichnete der Mitarbeiter unter anderem muslimische Zuwanderer als „Abschaum“ und andere Diskussionsteilnehmer auf Facebook als „Hohlfrosch“, ohne allerdings einen Hinweis auf seine Tätigkeit beim LKA zu geben. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin außerordentlich fristlos, da dem Arbeitnehmer die Eignung zur Arbeit auf dieser staatssicherheitsrelevanten Stelle fehle.
Das BAG ließ die Frage offen, ob die öffentlichen Äußerungen im Privaten für eine solche Kündigung „an sich“ geeignet sind. Jedenfalls falle die Interessenabwägung auf der zweiten Stufe zugunsten des Arbeitnehmers aus, da der Mitarbeiter ein hohes Lebensalter und eine lange Beschäftigungsdauer aufwies und insbesondere mit anderen weniger sicherheitsrelevanten Aufgaben (im Innendienst des LKA) hätte betraut werden können. Da somit eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz (milderes Mittel) möglich gewesen wäre, stellte sich die außerordentliche Kündigung als unverhältnismäßig dar. Die Kündigungsschutzklage hatte Erfolg.
Rechtsschutz für Arbeitnehmer gegen außerordentliche Kündigungen
Haben Sie als Arbeitnehmer eine schriftliche, außerordentliche Kündigung erhalten und möchten Sie sich dagegen wehren, müssen Sie schnell handeln. Greifen Sie die außerordentliche oder gar fristlose Kündigung nicht binnen drei Wochen ab Zugang der Erklärung mittels einer Kündigungsschutzklage an, wird selbst eine unwirksame Kündigung grundsätzlich unwiderruflich wirksam.
Zudem müssen Sie weitere Fristen beachten, um nicht mit anderen Nachteilen konfrontiert zu werden. So müssen Sie sich binnen drei Tagen nach Erhalt der Kündigung arbeitslos melden. Basiert die außerordentliche Kündigung auf einem verhaltensbedingten Grund, droht zudem eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen beim Arbeitslosengeld. Diese Sperrzeit lässt sich durch eine rechtzeitige Kündigungsschutzklage aber im Ergebnis meist abwenden. Weiterhin wahrt eine Klage etwaige Ausschlussfristen für andere Ansprüche, etwa zur Urlaubsabgeltung oder noch ausstehenden Bonuszahlungen.
Als erfahrene Fachanwälte für Arbeitsrecht haben wir auch diese Besonderheiten stets im Blick und erarbeiten mit Ihnen das ideale Vorgehen in Ihrem Fall. Kontaktieren Sie uns daher sehr gerne per E-Mail, Telefon oder über unser Kontaktformular.