Unterschied zwischen Beleidigung und sachlicher Kritik
Jeder kennt es, viele haben es selbst schon getan: in einem Wortgefecht eine Beleidigung auszusprechen. Dabei stellt sich die Frage, ab wann eine Äußerung eigentlich auch juristisch als Beleidigung gewertet wird. Für die Antwort auf diese Frage kann auf die Definition aus dem Strafrecht zurückgegriffen werden: unter einer Beleidigung wird hier die Kundgabe von Miss- oder Nichtachtung gegenüber einem anderen Menschen oder einer bestimmten Personengruppe verstanden, die sich als Angriff auf die persönliche Ehre darstellt.
Damit ist klar, dass nicht jede sachliche Kritik gleich eine Beleidigung darstellt. Kritische Anmerkungen können nicht nur zur Weiterentwicklung innerhalb einer Abteilung hilfreich sein, sondern sie sind auch durch die Meinungsfreiheit gedeckt, die in Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes gewährleistet ist.
Wann eine Beleidigung vorliegt, bestimmt sich zusätzlich zu der oben genannten Definition aber auch nach der Sozialüblichkeit von Aussagen. Das bedeutet, dass in Abteilungen oder Branchen, in denen generell ein rauer Umgangston herrscht, auch rauere Aussagen hinzunehmen sind. So können Aussagen, die zum Beispiel auf einer Baustelle zum „normalen Umgangston“ gehören, auf der anderen Seite zum Beispiel in einer Behörde unter Umständen als Beleidigung gewertet werden, wenn sie dort eben nicht üblich und alltäglich sind.
Voraussetzungen einer Kündigung wegen Beleidigung
Der Arbeitnehmer hat im Arbeitsverhältnis neben seiner Hauptleistungspflicht aus § 611a I BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), nämlich der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung, auch noch sogenannte Nebenpflichten. Die Nebenpflichten eines jeden Vertragspartners sind generell in § 241 II BGB geregelt. Dort heißt es:
„Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“
Je nach Intensität der Beleidigung kann derjenige, der sie ausspricht, das Vertrauensverhältnis mit dem Arbeitgeber schädigen. Dies kann sowohl durch eine Beleidigung gegenüber Kollegen, den Vorgesetzten oder gegenüber Kunden passieren.
Daher kann eine Beleidigung am Arbeitsplatz in letzter Konsequenz einen verhaltensbedingten Grund für eine Kündigung darstellen, wenn durch die Beleidigung das Interesse des Arbeitgebers an einem respektvollen und vertrauenswürdigen Umgang verletzt wird. Dabei ist auch zu beachten, dass der Arbeitgeber Schutzpflichten gegenüber seinen Angestellten hat, also dafür sorgen muss, dass die anderen Mitarbeiter in einem respektvollen Arbeitsumfeld ihrer Tätigkeit nachgehen können.
Zu berücksichtigen ist außerdem, dass auch nach Arbeitsende keine beleidigenden Äußerungen mit Bezug zur Arbeit fallen dürfen. Denn auch nach Betriebsschluss hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, nicht persönlich angegriffen oder in seinem Ruf geschädigt zu werden.
Vor einer Kündigung ist in der Regel eine Abmahnung erforderlich
Vor Ausspruch einer Kündigung ist in der Regel eine Abmahnung auszusprechen. Damit soll bezweckt werden, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten in der Zukunft ändert und zum Beispiel keine Beleidigungen mehr tätigt.
Die Abmahnung kann nur dann entbehrlich sein, wenn entweder die Beleidigung derart schwer wiegt, dass auch ihre einmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, oder aber der Arbeitnehmer zu erkennen gibt, dass er sich auch durch eine ausgesprochene Abmahnung in der Zukunft nicht daran gehindert sieht, weitere Beleidigungen auszusprechen.
Dabei wird der zuletzt genannte Fall, also die Absicht des Arbeitnehmers, weitere Beleidigungen auszusprechen, nur schwer nachweisbar sein. Hierfür muss der Arbeitgeber anhand von Zeugen oder einer schriftlichen Ankündigung des Arbeitnehmers (bspw. Chat-Verlauf) beweisen, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten auch in Zukunft nicht ändern will.
Ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfristen
Ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nach Beleidigung(en) bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar, so kann in der Folge dann eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden.
Die Länge der zu beachtenden Kündigungsfristen ergibt sich dabei aus dem Gesetz, § 622 II BGB, und hängt von der Dauer des laufenden Arbeitsverhältnisses ab. Teilweise sind auch im Arbeitsvertrag abweichende Kündigungsfristen geregelt, die den gesetzlichen Fristen grundsätzlich vorgehen.
Außerordentliche fristlose Kündigung in schweren Fällen möglich
Die Beleidigung am Arbeitsplatz kann in besonders schweren Fällen aber auch einen außerordentlichen Kündigungsgrund nach § 626 I BGB darstellen. Eine solche Kündigung hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis sofort, also noch am selben Tag, beendet wird. In diesem Fall sind keine Kündigungsfristen einzuhalten.
Abfindung muss im Einzelfall ausgehandelt werden
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung eine Abfindung zahlen muss. Gesetzlich gibt es aber bei einer verhaltensbedingten Kündigung keinen Anspruch auf eine Abfindung. Dennoch ist es für einen erfahrenen Rechtsanwalt unter Umständen möglich, im Einzelfall eine Abfindung auszuhandeln. Wie hoch diese ausfallen kann, hängt von den individuellen Umständen und den Chancen im Kündigungsschutzprozess ab.
Anwaltliche Beratung
Wenn Sie als Arbeitnehmer von einer Kündigung betroffen sind oder aber als Arbeitgeber eine solche aussprechen wollen, beraten unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht Sie gerne in Ihrem konkreten Fall. Mit unserer jahrelangen Erfahrung können wir Sie in einem außergerichtlichen Verfahren oder im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses bestens beraten. Nehmen Sie dafür gerne Kontakt mit uns auf!