Wann liegt ein Fall unentschuldigten Fehlens vor?
Im laufenden Arbeitsverhältnis hat der Arbeitnehmer grundsätzlich immer dann an seinem Arbeitsort zu erscheinen, wenn es vertraglich vereinbart ist. Denn die Leistungserbringung ist das Hauptmerkmal der vertraglichen Arbeitspflicht, die gesetzlich aus § 611a Absatz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) folgt.
Ausnahmen hiervon bestehen nur in eng umgrenzen Fällen. So kann die Pflicht zur Anwesenheit vertraglich aufgehoben sein, wenn beispielsweise das Arbeiten im Homeoffice vereinbart ist.
Eine gesetzliche Ausnahme von der Anwesenheitspflicht liegt bei Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit vor.
Unterschied zwischen unentschuldigtem Fehlen und Arbeitsunfähigkeit ohne Nachweis einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB)
Welche Pflichten den Arbeitnehmer im Krankheitsfalle treffen, ist gesetzlich in § 5 Absatz 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) geregelt. Dort heißt es unter anderem:
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.
Somit treffen den Arbeitnehmer zwei Pflichten im Krankheitsfall: er muss zum einen dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit anzeigen (Anzeigepflicht). Dies kann formlos erfolgen, beispielsweise durch telefonische Mitteilung oder via E-Mail. Zum anderen muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nachweisen, häufig mittels einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Nachweispflicht).
Dabei ist zu beachten, dass die Anzeigepflicht rechtlich unabhängig von der Nachweispflicht ist. Denn der Arbeitgeber soll wegen der anfallenden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall schnellstmöglich Kenntnis darüber haben, für welche Arbeitstage und in welcher Höhe Lohnfortzahlung geschuldet wird.
Während sich aus dem Gesetz die Nachweispflicht erst ab dem dritten Krankheitstag ergibt, kann im Arbeitsvertrag geregelt sein, dass der Arbeitnehmer schon ab dem ersten Krankheitstag eine AUB vorlegen muss.
Kommt der Arbeitnehmer seiner Nachweispflicht nicht nach, so liegt in dem Fernbleiben vom Arbeitsort bereits ein unentschuldigtes Fehlen.
Abmahnung als mögliche Reaktion auf unentschuldigtes Fehlen
Eine Abmahnung ist in der Regel Voraussetzung für die Wirksamkeit einer später nachfolgenden, verhaltensbedingten Kündigung.
Die Abmahnung zeichnet sich dadurch aus, dass sie drei Merkmale erfüllt: sie hat gleichzeitig Hinweis-, Rüge- und Warnfunktion.
Die Hinweisfunktion dient dazu, den Arbeitnehmer darauf aufmerksam zu machen, welches das vom Arbeitgeber beanstandete Verhalten ist. Sie soll dem Arbeitnehmer demnach verdeutlichen, welche Verhaltensweise Gegenstand arbeitsrechtlicher Konsequenzen ist.
Die Rügefunktion soll bewirken, dem Arbeitnehmer vor Augen zu führen, dass der Arbeitgeber eben diese Verhaltensweise nicht duldet.
Schließlich hat die Warnfunktion zum Zweck, den Arbeitnehmer dafür zu sensibilisieren, dass im Wiederholungsfalle arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie beispielsweise die verhaltensbedingte Kündigung, drohen.
Gegenüber der Kündigung stellt die Abmahnung eine mildere Maßnahme dar. Deshalb ist ihre Erteilung oft Wirksamkeitsvoraussetzung für eine nachfolgende Kündigung, falls sich die abgemahnte Verhaltensweise wiederholt.
Kündigung als ultimative Folge unentschuldigten Fehlens
Nicht selten endet ein durch Pflichtverstöße belastetes Arbeitsverhältnis mit einer Kündigung.
Diese kann je nach Einzelfall auch bei unentschuldigtem Fehlen gerechtfertigt sein, wenn die vertraglichen Pflichten und das Vertrauensverhältnis nachhaltig beeinträchtigt wurden.
Beim Ausspruch der Kündigung wird zwischen einer ordentlichen und einer außerordentlichen fristlosen Kündigung unterschieden.
Während bei der ordentlichen Kündigung lediglich erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten verletzt, sind die rechtlichen Hürden beim Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung um ein Vielfaches höher.
Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist in § 626 Absatz 1 BGB geregelt und lautet:
Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Bei der außerordentlichen Kündigung ist daher neben einer Pflichtverletzung zusätzlich relevant, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beiden Vertragsteilen – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – zugemutet werden kann.
Wie sind konkrete Fälle rechtlich zu bewerten?
Ob und unter welchen Voraussetzungen die (sofortige) Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtlich zulässig ist, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Maßgeblich dabei ist auch die sogenannte Interessenabwägung, bei der die Interessen des Arbeitgebers an der Vertragsbeendigung und die Interessen des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Einklang zu bringen sind. In die Abwägungsentscheidung sind alle individuellen Faktoren der jeweiligen Situation einzubeziehen, weshalb diese von Fall zu Fall anders ausfallen kann.
Unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht beraten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber zu Abmahnungen und (verhaltensbedingten) Kündigungen. Wenn Sie also Fragen zu einer Abmahnung oder der Wirksamkeit einer Kündigung haben, kontaktieren Sie uns gerne.